Schlafentzug als wirksames Mittel gegen Depressionen
Schlafentzug als wirksames Mittel gegen Depressionen – Das klingt ganz und gar unglaublich, denn wir alle wissen: Schlafentzug ist eine Foltermethode und Betroffene von Depressionen leiden meist ohnehin schon unter Schlafstörungen. Doch tatsächlich ist Schlafentzug eine effiziente Therapiemethode, die bei 60-70 Prozent der Patienten gut anschlägt. Betroffene erleben nach einer wach verbrachten Nacht im Laufe des darauffolgenden Tages einen euphorisierenden Effekt, der ihnen dabei hilft, sich positiv auf weitere Therapieangebote und Aufgaben einzulassen.
Weshalb es zu dieser euphorisierenden Wirkung kommt, ist noch nicht ausreichend erforscht, doch es wird vermutet, dass die Verbesserung der Stimmung etwas mit dem Ausbleiben der Traumschlafphasen (REM-Phase) innerhalb des Schlafzyklus zu tun hat. Depressionen gehen allgemein häufig mit Veränderungen im Neurotransmittersystem einher, die auch bei der Regulierung des Schlafs eine Rolle spielen. Die Traumschlafphase, in der unser Gehirn die Erlebnisse des Tages verarbeitet, ist bei Menschen mit Depression besonders stark verändert.
Die REM-Schlafphase zeigt bei Menschen mit Depression häufig Veränderungen
- Menschen mit Depression treten schneller in die REM-Schlafphase ein, typischerweise innerhalb von 45 Minuten nach dem Einschlafen im Vergleich zu den normalen 90 Minuten.
- In der REM-Phase zeigen depressive Menschen oft eine erhöhte REM-Dichte, was bedeutet, dass die Augenbewegungen schneller und häufiger sind.
- Bei Menschen mit Depression sind die ersten REM-Phasen in der Nacht oft länger als in einem gesunden Schlafzyklus üblich. Dies kann zu einer Verschiebung des Schlafmusters führen, bei der mehr REM-Schlaf in der ersten Hälfte der Nacht stattfindet.
- Neben Veränderungen im REM-Schlaf haben depressive Menschen oft einen verminderten Anteil an Tiefschlaf (Slow-Wave Sleep), der für die körperliche Erholung wichtig ist. Dies kann zu einem insgesamt weniger erholsamen Schlaf führen.
Diese Veränderungen im Schlafmuster und insbesondere im REM-Schlaf können sowohl ein Symptom als auch ein Beitrag zur Aufrechterhaltung der Depression sein – mehr dazu im nächsten Abschnitt.
Das Unterdrücken des REM-Schlafs kann bei Menschen mit Depression aus mehreren Gründen helfen
Es wird vermutet, dass dieser veränderte REM-Schlaf eine depressionsfördernde Wirkung hat, weshalb die meisten Antidepressiva die Traumschlafphase innerhalb des Schlafzyklus komplett unterdrücken.
Die depressionsfördernde Wirkung dieser Schlafphase hängt vermutlich damit zusammen, dass stimmungssenkendes Acetylcholin in dieser Phase vermehrt freigesetzt wird, während für positive Stimmung charakteristischen Botenstoffe wie Serotonin, Noradrenalin und Dopamin besonders niedrig sind.
Während des REM-Schlafs werden emotionale Erinnerungen verarbeitet. Bei depressiven Menschen kann dieser Prozess verstärkt negative Emotionen und Erinnerungen hervorheben. Durch die Reduktion des REM-Schlafs kann diese Verstärkung negativer Affekte verringert werden, was zu einer Verbesserung der Stimmung führt.
Durch die Reduktion des REM-Schlafs kann es zu einer Zunahme des Tiefschlafs (Slow-Wave Sleep) kommen, der für die körperliche und geistige Erholung besonders wichtig ist. Ein erholsamerer Tiefschlaf kann zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens beitragen.
Wie kann eine Wachtherapie gegen Depressionen ablaufen?
- Die Wachtherapie beginnt normalerweise am Abend. Der Patient bleibt die gesamte Nacht und den folgenden Tag wach.
- Während der Wachphase wird der Patient ermutigt, an Aktivitäten teilzunehmen, die ihn wach und aktiv halten, wie zum Beispiel Lesen, leichte körperliche Übungen oder Gespräche mit Therapeuten oder anderen Patienten.
- Nach etwa 36 Stunden Wachzeit darf der Patient wieder schlafen, normalerweise in der nächsten Nacht.
- Wachtherapie kann in mehreren Sitzungen über einen Zeitraum von Wochen durchgeführt werden. Es können Variationen angewendet werden, wie teilweiser Schlafentzug (nur einen Teil der Nacht wach bleiben) oder phasenweiser Schlafentzug (z.B. zwei Nächte pro Woche).
- Die Wachtherapie wird oft in Kombination mit anderen Behandlungen wie Lichttherapie, kognitiver Verhaltenstherapie oder medikamentöser Therapie angewendet.
- Viele Patienten berichten von einer sofortigen, wenn auch vorübergehenden, Verbesserung der depressiven Symptome nach einer Wachphase.
Aus therapeutischer Sicht ist Schlafentzug zwar anstrengend, aber sicher, Nebenwirkungen einer solchen Therapie sind nicht bekannt. So machen viele Patienten unter medizinischer Begleitung die Nacht durch, um am nächsten Tag gut drauf zu sein und am darauffolgenden Abend gut einschlafen zu können.